Mein Mann und ich haben vor fünf Jahren eine Paartherapie gemacht, in deren Rahmen mir das Hörbuch „Das weise Herz“ von Jack Kornfield empfohlen wurde. Ich habe dieses Buch inzwischen bestimmt 20-30mal gehört und es hat mir eine Tür geöffnet. Fortan habe ich mich sehr viel mit Achtsamkeit und Buddhismus beschäftigt, habe gelernt loszulassen und neue Wege zu beschreiten. Vor zwei Jahren dann haben mein Mann und ich uns voneinander getrennt. Ungefähr zur selben Zeit habe ich eine sehr liebe Freundin gefunden, die ebenfalls den Weg des Erwachens beschreitet und wir unterstützen uns gegenseitig bei der Auflösung innerer Probleme und Konflikte. Ich habe inzwischen eine Yogalehrerausbildung begonnen und auch von dort bekomme ich viele wertvolle Hinweise und Einblicke.
Der Grund für unsere Paartherapie damals war, dass ich eine Affäre mit einem anderen Mann hatte. Diese Affäre habe ich erst Ende 2015 beendet, dann im März 2016 wieder aufgenommen und schließlich endgültig im August 2016 beendet. Dieses Ereignis war für mich wesentlich einschneidender als die Trennung von meinem Mann. Es hat mich viel gekostet, darüber hinweg zu kommen und ich bin mir manchmal immer noch nicht sicher, ob ich damit schon ganz durch bin. Jedenfalls habe ich vor etwa einem halben Jahr begonnen, mich wieder mit Männern zu treffen. Bzw. mir überlegt, dass ich so langsam so weit sein könnte. Noch nie in meinem Leben, seit ich 16 war, bin ich so lange Single gewesen, aber es war eine sehr bewusste Entscheidung, denn ich wollte mich endlich einmal selber finden. Bisher habe ich mich ja immer nur über meine Beziehungen definiert.
Nun ist mir aber aufgefallen, dass ich oft „im letzten Moment“ einen Rückzieher mache. Quasi immer, bevor es ernst werden könnte. Ich habe einige lockere Affären gehabt, das funktioniert emotional ganz gut. Es ist einer dabei, mit dem ich mich mehr oder weniger regelmäßig seit März/April zum Sex verabrede. Aber ich bin wohl der dümmste Single der Welt, mir einen Liebhaber auszusuchen, der nicht einmal meine körperlichen Bedürfnisse wirklich richtig befriedigen kann. Andererseits bin ich bei ihm auf der sicheren Seite, brauche nicht zu befürchten, dass ich mich in ihn oder er sich in mich verliebt. Erstaunlicherweise schaffe ich es aber nicht einmal in dieser, nur auf Zweckerfüllung angelegten Beziehung, meine sexuellen Wünsche zu benennen oder für deren Erfüllung zu sorgen.
Dann habe ich vor ein paar Wochen durch einen Freund jemanden kennen gelernt, mit dem ich mich, da ich in Schottland im Urlaub war, zunächst nur per whatsapp unterhalten habe. Und diese Gespräche waren so toll! Auch dieser Mann ist ein Erwachter und versteht. Ich war soweit, dass ich glaubte, ich könne mich vielleicht mal wieder verlieben. Nach zwei Wochen intensiver Gespräche haben wir uns bei ihm zuhause getroffen. Es war nett. Leider nicht mehr. Auf dem Weg nach hause überlegte ich, wie ich ihm das beibringe. Denn ich wollte durchaus mit ihm befreundet sein, aber für mehr reichte es einfach nicht. Tja, was soll ich sagen. Als ich zuhause auf mein Handy schaute, hatte er mir den Job schon abgenommen, denn ihm war es wohl genauso gegangen. Was dann allerdings in mir passierte… Ich war zurückgewiesen worden. Und das verletzte mich. Spornte mich gleichzeitig an, um seine Aufmerksamkeit zu kämpfen. Ich merkte sofort, dass da was nicht richtig läuft, war mir der Dinge sehr bewusst, die da passierten. Allerdings habe ich noch nicht herausgefunden, woran das liegen mag, was dieses Verhalten bei mir auslöst. Ich habe viel mit meiner Freundin darüber gesprochen, aber bislang bin ich noch zu keiner richtigen Lösung gelangt. Ich weiß, was der Auslöser dafür war. Warum ich aber dieses Verhaltensmuster an den Tag lege und woher es kommt, liegt für mich noch im Verborgenen.
Ich habe das Gefühl, dass ich von außen nach innen meine (mir fehlt gerade ein passendes deutsches Wort) issues abgeschält habe und jetzt an einer Schale angekommen bin, die ich nicht knacken kann. Ich habe mit viel Achtsamkeit und Übung gelernt, mir nicht immer meine Bestätigung von außen zu holen, mich nicht mehr so darauf zu fixieren. Ich habe gelernt, Dinge geschehen zu lassen, nicht immer alles kontrollieren zu wollen. Insgesamt bin ich wesentlich gelassener geworden. Sicherlich gibt es immer mal wieder Rückfälle. Besonders schwierig finde ich den Umgang mit Familie und engen Freunden, denen die Veränderung an mir durchaus auffällt, die aber dennoch oft nicht sehen, dass ich nicht mehr in den alten Mustern agiere oder ich falle tatsächlich in die alten Muster zurück, weil einfach 45 Jahre Sozialisiation ihr Werk getan haben. Das streift man nicht einfach so ab. Aber ich arbeite daran und komme da auch gut voran.
Ich möchte aber eben auch in der anderen Sache weiter kommen. Aber ich verstehe mein Verhalten da oft gar nicht. Es ist wie verhext. Ich stoße oftmals diejenigen zurück, die mich lieben, hechele aber wie ein Hündchen denen hinterher, die offenbar gar kein Interesse an mir haben. Ich weiß, dass ich mit Sex Männer „kriegen“ kann und manchmal kann ich sie auch dadurch an mich binden. Aber was eine echte Beziehung angeht, da weiß ich gar nicht, was jemand an mir toll finden sollte. Ich bin vor kurzem das Wagnis eingegangen, mich in aller Stille und Kontemplation hinzulegen und mir selber Zuneigung zu schenken. Das löste einen solchen Aufruhr in mir aus, dass ich das Experiment schnell wieder abgebrochen habe. Ich werde das noch einmal versuchen, aber das wird viel Mut erfordern.
Anmerkung der Redaktion: Ich habe nach der Erstveröffentlichung dieses Textes von zwei Menschen Reaktionen bekommen, die mich bewogen haben, diesen Text wieder offline zu nehmen. Einer davon war eine eher sachliche Manöverkritik, in der es darum ging, ob es unbedingt nötig sei, sein Innenleben so in die Öffentlichkeit zu tragen. Dazu möchte ich hier noch einmal wiederholen, was ich auch ihm dazu gesagt habe:
[…Das] öffentliche Schreiben ist nicht die Lösung [des Problems]. Das Schreiben an sich hilft mir allerdings, meine Gedanken zu sortieren. Natürlich könnte ich auch einfach nur ein Tagebuch führen. Die Öffentlichkeit meines Schreibens hat einen anderen Grund und weder etwas mit Wohlstandsgehabe, Jammern auf hohem Niveau noch mit Geltungsbedürfnis zu tun. Ich bin allerdings immer dankbar, wenn ich auf Texte und Beiträge stoße, die mir zeigen, dass ich nicht allein bin, dass ich nicht der einzige Idiot auf der Welt bin, der an scheinbar kleinen Hindernissen im Leben oder auf dem Weg zur Erleuchtung scheitert. Ich gehe davon aus, dass es auch anderen Menschen so geht und sie sich vielleicht auch nicht mehr so idiotisch fühlen, wenn sie sehen, dass auch andere Menschen ihre Probleme haben. Rein altruistische Motive habe ich nicht, hege aber auch keine Ambitionen auf den Pulitzerpreis oder erwarte von irgendjemandem das große Heititei. Ich will nicht erwachen oder erleuchtet werden, um davon zu erzählen. Für mich ist es ein Weg zu innerem Frieden und damit auch ein Beitrag zum Weltfrieden. Wer ihn mit mir gehen will, ist herzlich willkommen. Wer lieber im verschlossenen Kämmerlein bleiben will, bitte! „Without a sangha you lose your practice very soon.“, sagte schon Tich Nhat Hanh. Ich suche die Gemeinschaft. […] Bei meinem Blog darf jeder mitnehmen, was er mag, Was er nicht mag, darf er auch gerne dort lassen.
Die andere Reaktion war sehr verletzend und hat mich tief getroffen, ich werde hier nicht weiter darauf eingehen. Aber nach gründlicher Überprüfung meiner Motive habe ich beschlossen, den Text wieder online zu stellen. Love it or leave it.